Der Wecker klingelt und ich drehe mich zur Seite. Wieso fühle ich mich wieder so erschöpft, trotz genug Schlaf? Wieso kann kein Schlaf diese Erschöpfung verringern? Nach langer Überwindung schaffe ich es zwar aufzustehen, aber meine Stimmung ist niedergeschlagen. Ich schaue in den Terminkalender und tippe dann noch schnell eine Nachricht „Willst du dich nachher treffen?“. Ich habe zwar schon viele Termine, aber lieber beschäftige ich mich, als Zeit zu haben weiter nachzudenken.
Beim Blick in den Spiegel macht sich in mir ein Gefühl von Unwohlsein breit. Auch die Waage macht es nicht besser. Sätze wie: „In deinem Alter, mit deinem Geschlecht und deiner Größe sollte man weniger wiegen“ spielen sich in meinem Kopf ab. Seufzend verlasse ich das Badezimmer.

Schnell noch die letzten Schulsachen gepackt. Für Frühstück bleibt wohl leider nicht mehr genug Zeit und meine Brotdose ist versehentlich im Kühlschrank geblieben. Mit einem Lächeln verlasse ich das Haus. Ich unterhalte mich ausgelassen mit meinen Freunden, um meine innere Leere zu überspielen.
Im Unterricht wird jemand lauter im Ton, ohne es zu wollen und ich merke, wie die Panik in mir ansteigt. Schnell verlasse ich den Raum und gehe auf die Toilette, damit keiner sieht, wenn ich weine oder Angst vor Kleinigkeiten habe. Zurück im Raum werde ich darauf angesprochen, dass ich ja nicht einfach den Klassenraum verlassen könne, doch keiner von ihnen weiß, wie es in meinem Kopf wirklich aussieht. Die Lehrer:innen haben mittlerweile kein Problem mehr, wenn ich frische Luft brauche, da solche Panikattacken leider wirklich häufiger dazu führen, dass ich kaum atmen kann, anfange zu weinen und zu zittern, ohne mich beruhigen zu können.
In der Pause starre ich anteilslos in die Distanz und nicke und lache zwischendurch über die Witze meiner Freunde. Doch bevor jemand etwas zu meiner Abwesenheit sagen kann, stehe ich doch wieder auf und unterhalte mich ausgelassen mit meinen Freunden, die nicht ahnen können wie ich mich fühle.
Im Unterricht sitze ich meist in der letzten Reihe und versuche bloß nicht aufzufallen. Zwischendurch mal kurz was gesagt für die mündliche Note, aber auch nur so viel wie sein muss.
Nach der Schule noch mit Freunden rausgehen und wenn sie fragen, ob ich gegessen habe, wird dies selbstverständlich bejaht, auch wenn es gelogen ist. Immer weiter Lächeln und Lachen, damit ich keinen belaste und versuchen beim aufziehenden Gewitter nicht wie ein Kind bei jedem Blitz und Donner zusammenzuzucken. Würde es überhaupt wen interessieren, wenn ich jetzt anders wäre? Ich muss immer stark sein, damit meine Freunde mit mir über alles reden können.
Abends komme ich nachhause, erledige noch meine Hausaufgaben, esse normal mit meinen Eltern, damit sie sich nicht sorgen und gehe dann in mein Zimmer. Die Tür zu, Musik an, damit man bloß nicht hört, wenn ich dann doch mal schwach werde und weine.
Die Nacht verbringe ich damit von ständigen Albträumen geweckt zu werden und wegen der darauffolgenden Panik dann den restlichen Schlaf zu vermeiden.